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07.10.2022

Presseaussendung: Psychische Belastung für Kinder und Jugendliche mit einer chronischen Erkrankung besonders hoch

Kinderliga zum Tag der psychischen Gesundheit: Psychosoziale Angebote für Familien – besonders jene in Armutsgefährdung - mit chronisch kranken Kindern müssen selbstverständlich sein!

Wien, 7.10.2022 – Die Gefährdung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist während der Corona-Krise ins allgemeine Bewusstsein gelangt. Besonders gefährdet sind, laut Expert*innen der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (Kinderliga) jedoch Kinder und Jugendliche mit einer chronischen oder seltenen Erkrankung, und da ganz besonders jene, die in Armut oder Armutsgefährdung leben. Die Kinderliga nützt den Welttag der psychischen Gesundheit am 10. Oktober, um auf die psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung und deren Familien aufmerksam zu machen. Die Expert*innen präsentieren ganz konkrete Forderungen zum Ausbau von niederschwelligen und kostenfreien psychosozialen Angeboten, um auch armutsgefährdete Familien bestmöglich zu unterstützen.

Coronapandemie hat Belastung für junge Menschen mit einer chronischen Erkrankung verschärft

Die meisten Kinder und Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung erleben ohnehin schon einen erschwerten Alltag, teilweise mit eingeschränkter sozialer Inklusion aufgrund von z.B. verminderter körperlicher Belastbarkeit und/oder Widerstandskraft, aufwendiger Therapiemaßnahmen, medizinischer Kontrolltermine, Schmerzen, Diätvorschriften, mit teilweise vermehrtem Betreuungs- und Pflegebedarf und vielem mehr“, sagt Dr.in Caroline Culen, klinische Psychologin und Geschäftsführerin der Kinderliga. In der Corona-Pandemie verstärkten sich die bestehenden Probleme und es zeigten sich viele zusätzliche Herausforderungen, wie erhöhte gesundheitlichen Risiken durch eine Covid-19-Erkrankung, abgesagte Therapien, verschobene Kontrolltermine, erschwertes Aufnahmesetting in Krankenhäusern sowie verstärkte Isolation durch Wegfall der sozialen Netze und insgesamt vermehrte psychische Belastung (EURORDIS, 2020; Sturz et al., 2020).

Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung fördern

Menschen, die von chronischen und seltenen Erkrankungen betroffen sind, weisen ein erhöhtes Risiko für psychische Belastungssymptome auf. Ängste, depressive Symptomatik, soziale Isolation oder auch Essstörungen sind vermehrt zu finden (vgl. Pinquart, 2013). Die Expert*innen der Kinderliga sprechen zum Welttag der psychischen Gesundheit die Empfehlung aus, psychosoziale Unterstützungsangebote standardisiert zu gewährleisten, um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit einer chronischen oder seltenen Erkrankung zu fördern.

Psychologische oder psychotherapeutische Unterstützung in den Monaten und Jahren der Dauerbelastung einer chronischen Erkrankung ist in den allerseltensten Fällen vorgesehen, kinderpsychiatrische Behandlung ist nach wie vor tabuisiert und mangelbedingt kaum zugänglich. Auch Angebote zur Entlastung und Erholung für betreuende Erziehungsberechtigte und Geschwister sind unerlässlich, um psychische Gesundheit zu erhalten. Psychosoziale Unterstützung muss nach wie vor zur Gänze oder zumindest teilweise über Selbstbehalte privat finanziert werden. Besonders für Familien, die in Armut oder Armutsgefährdung leben, bedeutet das eine unüberwindbare Barriere. „Die Gefahr, von Armut betroffen zu sein, steigt für Familien mit einem chronisch kranken Kind, da Kinder mit einer chronischen oder seltenen Erkrankung meist einen höheren Betreuungsbedarf haben, was zur Folge hat, dass ein Elternteil – meist die Mütter – ihre Berufstätigkeit aufgeben oder stark einschränken. Damit werden bei diesen Familien die finanziellen Ressourcen deutlich knapper“, erklärt Culen.

Bürokratische Hürden für armutsgefährdete Familien mit chronisch kranken Kindern existenzbedrohend

Auch bürokratische Hürden führen für armutsgefährdete Familien zu existenzgefährdenden Situationen und binden Ressourcen der Helfer*innensysteme, die Familien in Bezug auf andere Themen dringend benötigen. Finanziellen Leistungen, die in Österreich zur Verfügung stehen, müssen möglichst rasch bei Bedarf bei Familien ankommen. Für einige soziale Gruppen in Österreich bestehen teilweise monatelange Wartezeiten auf Familienbeihilfe, erhöhte Familienbeihilfe und Pflegegeld.

Konkret lauten die Forderungen der Expert*innen der Kinderliga zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit einer chronischen oder seltenen Erkrankung:

✔ Therapeutische Online-Angebote weiterhin kassenfinanziert ermöglichen, um Kindern und Jugendlichen auch in Zukunft bei eingeschränkter Mobilität oder individuellem Bedarf im Sinne der Chancengerechtigkeit fortlaufend eine Therapie zu ermöglichen

✔ Zusätzlich kostenfreie klinisch-psychologische Behandlung, Psychotherapie auch über das Jahr 2022 hinaus möglich machen – für Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen muss das gesichert werden. Expert*innen sind sich einig: Viele Folgen der Pandemie für die psychische Gesundheit werden erst nach und nach sichtbar. Angebote sind weiterhin dringend erforderlich!

✔ Vollständige Finanzierung von psychotherapeutischer und klinisch-psychologischer Behandlung über die Sozialversicherungen.

✔ Ausbau von kassenfinanzierter Kinder- und jugendpsychiatrischer Versorgung sowohl im niedergelassenen als auch im teil- und vollstationären Bereich

✔ Gezielte Informations- und Vernetzungsangebote für Fachkräfte in der Gesundheitsversorgung zur Vermittlung von Familien in weitere unterstützende Angebote

✔ Ausweitung entlastender Angebote für Angehörige (Erziehungsberechtigte, Geschwister), die auch die gesamte Familie umfassen.

Appell der Expert*innen der Kinderliga: Ausgaben für Kindergesundheit erhöhen – In die Zukunft von Kindern investieren

Gesundheitsfördernde Maßnahmen, besonders auch im Bereich der psychosozialen Gesundheit, bereits in der frühen Kindheit und besonders für Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen haben positive Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebensqualität für die gesamte Lebensspanne. „Mehr Geld in die Hand zu nehmen und mehr Angebote zu schaffen, sowohl im Bereich der Gesundheitsversorgung als auch der Prävention, lohnt sich auch aus volkswirtschaftlicher Sicht, um die Folgekosten von armutsbezogenen Gesundheitsproblematiken für Kinder und Familien selbst, aber auch für Gesundheits- und Sozialsysteme, zu begrenzen,“ sagt Dr. Christoph Hackspiel, Präsident der Kinderliga.

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